Narren-Ghetto oder Alm-Auftrieb ?

Niemand hat vor eine Mauer …ääähhh… einen Zaun zu bauen ?

Ich rieb mir am vergangenen Weekend die Augen, als ca. 8 Wochen vor Christmas, ein verdächtig nach Weihnachtsmarkt aussehender Verkaufsstand auf einem Altstadtplatz positioniert wurde. Ich war ja gewohnt, bereits an Ostern Lebkuchen und Christmas-Gebäck in Supermärkten zu sehen. Aber man versicherte mir : „Nööö, noch kein Weihnachtsmarkt. Am Wochenende ist Herbstmarkt.“ Als ich nach dem Unterschied zum „Sternenmarkt“ (hiesiger Christmas-Verkaufsevent) fragte, hieß es : „Nix… Hauptsache Verkaufsevent !“ Der Stadt ist offensichtlich daran gelegen, kein Weekend ohne Event verstreichen zu lassen. Es könnte ja sein, dass die Bürger sonst einmal etwas Sinnvolles mit ihrer Freizeit machten ?

Gestern spazierte ich über den anderen Altstadtplatz, wo man gleich neben jener ehemaligen „Davidswache“ etwa 4-5 Toiletten-Container aufgestellt hatte. Man war gerade dabei etwa 4/5tel des Platzes (kaum größer als ein Fussballfeld) mit Absperrung und Sichtschutzzäunen zu versehen. Überall in der Altstadt waren Verkaufshäuschen für den, in 3 Wochen stattfindenden, Weihnachts-Ausverkauf aufgebaut. Nur hier nicht ? Also fragte ich, welcher Politiker den da am Weekend, schön eingezäunt (Man könnte aber auch Tomaten über den Zaun werfen ?)  seine Rede schwingen wolle. Daher hieß es : „ Morgen ist der 11.11.  also Karnevalanfang !“ Was bedeutete, obwohl doch gerade die Deppen und Dauerparty-Fans den Halloween-Horror hatten, dass schon wieder eine Fress-, Sauf- und Popp-Party stattfindet. Nur eben als Karneval getarnt.

Als ob hier nicht das ganze Jahr über genügend Narren herumlaufen und dauerhaft kostümiert aussehen. Über einen Mangel an Horrorgestalten und botoxierten Hexen kann man auch nicht klagen. Also hatte man die übliche gesellschaftliche Angstmache dazu benutzt, umsatzträchtig und gewinngenerierend, ein Areal zu schaffen, wie es auf Kreuzfahrtsdampfern üblich ist. Wenn die Lemmikaken erst mal an Bord sind, können sie nicht mehr weg und werden umsatzfördernd abgegriffen. So auch hier. Die Narren durften Eintritt bezahlen, um der Ehre teilhaftig zu werden, dortselbst kräftig abgezockt und bespaßt zu werden. Zum Feiern wurden sie dort eingesperrt, damit sie in Ruhe (das wüsst ich aber !) fressen, saufen und poppen konnten, ohne von normalen Bürgern belästigt zu werden ? Das hat was von Narren-Ghetto oder sogar, wenn man die geschmückten Kühe sieht, von Almauftrieb. Man fragt sich bei solch vermeintlichem Sicherheits-Stuss, wo den unsere Freiheit geblieben ist, wenn man zum Feiern und Amüsieren eingezäunt werden muss. Oder geht es doch nur darum, somit konzentrierter Umsatz machen zu können ?

So ließen sich auch die Toiletten-Container erklären, welche man anscheinend bei der Menge Alkohol und Fast-Food, die dort verdrückt wird, sicherlich reichlich frequentiert. Die umliegenden Kneipen hegten jedoch die Hoffnung, dass es doch einigen Suffköppen gelingen würde, aus dem Dumpfbacken-Knast auszubrechen und ihre Lokalitäten zu besuchen. Wenn man das Gegrabsche und Gemenge diverser beschickerter Weiber sah, hätten sie eigentlich auch gleich Betten aufstellen können. Auf dem Weg zu meinem Stammcafe´ umrundete ich bereits mehrere Stellen, an denen offensichtlich wurde, dass auch Andere das Ganze zum kotzen fanden. Glasscherben, leere Flaschen und reichlich Müll lagen ebenfalls herum, obwohl es erst 12.30 Uhr war.

Man möchte sich garnicht vorstellen, was für einen Eindruck die vielen Touristen von der Stadt bekamen, die ja beileibe nicht alle wegen Karneval hier waren. Sehr viele machen ihre Herbst-/Wintertour vonwegen Wein, Zwiebelkuchen und vorweihnachtlich geschmückten Altstädten. Daher dürfte der Müll, das Gegröhle und die (wie hier üblich) viel zu laute Musik nicht gerader anheimelnd wirken ? Dann wurde es merkwürdig und richtig schräge. Denn genau in der, von Beschickerten bevölkerten, Altstadt hörte ich schon von weitem die „Dicke Backen Musik“ spielen. Aber keine Sauf- und Malle-Songs, sondern : „St.Martin, St.Martin….“ und „Rabimmel, rabammel, rabumm…Laterne…“ Am vermüllten Strassenrand glotzten bezechte Karnevalisten auf einen St.Martins-Umzug und versuchten vergeblich „Helau“ gegenan zu brüllen. Die Mütter der erleuchteten Kleinen waren erzürnt und angeekelt, was den Kindern offensichtlich auch alles sehr merkwürdig vorkam.

Wieso man im gleichen Viertel – wo der Karnevals-Palaver der Altstadtkneipen mit besoffenen Hirnies, Glasscherben und Gegröle tobt – den Kindern vorführt, wie toll es doch ist, wenn Erwachsene feiern… ist unerklärlich. Wieviel gastrogeile Blödheit muss man haben, um so zu planen ? Oder wollte man beide Events vereinen um somit auch jedermann am Feiergebräuchen teilhaben zu lassen ? Man hätte auch den Martinszug am Rhein machen können, anstatt die Zugstrecke genau durch die mit Narren gefüllten Gassen zu leiten. Ein Glanzleistung der umsatzgeilen Planer und Traditionsverderber. Falls diese Gastro-Bespaßer nicht ihren  Publikumsjoker ziehen können, so kann ich gerne mit ein paar Anlässen dienen, welche an diesem Tage ebenfalls gefeiert werden könnten. Oder zu welchem eventuell, örtliche Politschranzen mal wieder dröhnende Reden (im wahrsten Sinne des Wortes) vom Zaun brechen könnten. Wenn doch schon eingezäunt und auch gebrochen wurde…..  Da wären am 11.11. :

*  1493: Christoph Kolumbus entdeckt auf seiner 2. Reise die Antilleninsel St. Martin.

Wo man wirklich Karneval feiern kann und zwar ohne Vereinsmeierei und uniformiertem Humor.

* 1842: In Pilsener Gasthöfen wird erstmals in der Geschichte des Bieres nach Pilsner Brauart ausgeschenkt, basierend auf dem von Josef Groll erfundenen Sud.

Was man auch zum Anlass nehmen könnte 1-2 gepflegte Bierchen zu kippen. Auch ohne Groll zu hegen, hat das hier übliche Komasaufen karnevalistischer Party-Dumpfbacken mit lustig sein nur bedingt etwas zu tun.

* 1843: In Dänemark wird das Märchen „Das hässliche Entlein“ von Hans Christian Andersens veröffentlicht.

Sieht man diese bemalten und behangenen Gänse, die beschickert durch die Altstadt kreischen, wäre einem eventuell ein häßliches Entlein entschieden lieber !

* 1916 Waffenstillstand von Compiègne beendet Kampfhandlungen des I. Weltkriegs. Der Krieg fand seinen Abschluss mit Unterzeichnung der Pariser Vorortverträge.  Kaiser Karl I. erklärt den Verzicht auf Staatsgeschäfte im austrianischen   Teil der Donaumonarchie. Die deutschen Truppen in Warschau werden von Polen entwaffnet. Der Regentschaftsrat und die Lubliner Regierung legen die Staatsgewalt in Piłsudskis Hände. Das Regentschaftskönigreich wird unabhängige Republik. Elsass und Lothringen erklären ihre Unabhängigkeit als Republik Elsass-Lothringen, die nur kurz dauert, da die Franzosen einmarschieren.

Das dürfte zwar hierzulande, bei diesem neu erweckten Nationalismus, wohl kaum auf Feierfreude stoßen. Aber in England und Ländern des Commonwealth wird dieser Tag als „Remembrance Day“ benannt (auch „Poppy Day“ oder „Armistice Day“). Ein Erinnerungstag für Gefallene des I. Weltkrieges. In Belgien, Frankreich, USA wird er auch: „Veterans Day“ genannt. Nicht dass ich etwa den alten Kameraden das Wort reden wollte.

*  1930: Albert Einstein & Leó Szilárd erhalten in USA das Patent Nr. 1.781.541 auf ihren erfundenen Kühlschrank.

Auch dies dürfte, für alle Freunde eines gut gekühlten Bieres, Grund zum feiern sein ? Was würde die heutige Konsumgesellschaft ohne veritablen Kühlschrank machen ?

* 1933: In Österreich führt das austrofaschistische Regime die 1920 abgeschaffte Todesstrafe für Mord, Brandstiftung und „öffentliche Gewalttätigkeit durch boshafte Beschädigung fremden Eigentums“ wieder ein.

Das scheint doch bei einigen braungesinnten Wohlstandsbürgern wieder Gefallen zu finden ? Graphitis und andere Demorückstände werden boshaft mit dem Tode betraft. Offensichtlich reicht da manchen nicht der eigene Hirntod ?

* 1977: In Spanien hebt die Regierung, etwa 2 Jahre nach Francos Tod, die Filmzensur auf.

Was braucht es heute Zensur, wenn man sowieso einen Filmriss durch Allloohohl hat ? Was diese sogenannten filmischen Werke anbetrifft, welche u.a. das Dumpfbacken-TV den teutonischen Couchsitzern offeriert, so wäre da durchaus eine Zensur angebracht. Weniger aus Gesinnungsgründen, sondern wegen optischem Müll und der Tatsache, dass die dortigen Formate den Tatbestand geistiger Körperverletztung erfüllen.

Und nun noch etwas heutzutage übliches, was für die meisten Lemmikaken genügend Grund zum feiern ist.

* In Asien und vielen Regionen der Welt wird der 11.11. als Tag der Singles (Singles’ Day) gefeiert. Er ist in China so beliebt, dass der 11. November inzwischen der größte Onlineshopping- Tag der Welt ist.

Nun kann ich ja verstehen, dass man im übervölkerten China den Tag der Singles feiert. Dass man dies aber, von der Couch aus online tut, wirft ein spezielles Licht auf deren Feierlaunen. Ihr Karaoke ist auch etwas anderes, als unser Narren-Ghetto. Da stellt sich auch kaum die Frage, was für die Menschheit besser wäre. Zumindest das Bussines hält sicherlich mehr von Online-Bespaßung der Narren..

Demnächst sind wir soweit, dass der deutsche Humor (oder was diese Vereinsmeier darunter verstehen) nur noch in umzäuntem Areal und unter Zuhülfenahme von mindestens 3 Liter Alloohohl öffentlich bezeigt werden darf.  Wenn ich gewisse mal Auswüchse davon erlebe und dieser grenzwertigen Partylaune teilhaftig werde, könnte ich fast auf den Gedanken kommen, dass es vielleicht garnicht so unteutsch ist. Man möchte eben unter sich sein und uniformierten Massenhumor kasernieren.

Kamelle … stramm geschwankt !

 

 

 

Über Dwarsdenker

Wir sind denkende Lebewesen - fühlende Menschen - couragierte Bürger - intelligenzbasierte Individuen
Dieser Beitrag wurde unter Alltag, Gesellschaft, Merkwürdiges veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar